O-Ton

Willibert Schmitz

Als Gast zum Interview durften wir Willibert Schmitz begrüßen. Bekannt ist er nicht nur als langjähriger Corpsspieß des Scheibenschützencorps, sondern vor allem als Inhaber der Erfruhe. Ein Haus der Traditionen und einer Institution in Wevelinghoven. Seit 94 Jahren ist die Erftruhe nun im Besitz der Familie Schmitz.

Podcast 100 Jahre BSV - Interview mit Willibert Schmitz

Frage: Willibert, Schützenwesen ohne die Erftruhe ist unvorstellbar. Egal ob Jäger, Scheibenschützen oder Grenadiere. Alle feiern bei euch und mit euch. Dabei ist es egal ob Vogelschuss oder Versammlung, bei euch fühlt man sich immer willkommen. Doch was bedeutet euch die Verbindung zwischen dem BSV und der Erftruhe?

Seit 1952, als meine Eltern die Erftruhe übernommen haben, gehört der BSV und die Erftruhe zusammen. Seit 1953 findet der Vogelschuss des BSV an der Erftruhe statt. Somit sind liebgewonnene Traditionen, die uns verbinden. Natürlich gab es auch immer mal wieder kleinere Unstimmigkeiten, aber nichts, was in einem Gespräch hätte beseitigt werden können. Daher fühlen wir uns einfach mit den Schützen sauwohl – wenn sie brav sind.

Frage: Normalerweise sagt man immer man sollte beruf- liches und privates trennen, dass ist bei dir und in deinem Job natürlich recht schwierig. Jetzt bist du selbst aber auch Vollblut Schütze, wie hast du hier die Balance gefunden?

Wichtig ist hier, sich nicht zu verstellen. Wenn man seinen Beruf mit Spaß und Leben füllt und seinen Humor nicht verliert, ist es immer einfacher im Umgang mit Menschen, als wenn man alles nur ernst nimmt.

Frage: Du bist nicht nur seit vielen Jahren Scheiben- schütze, sondern hast auch Verantwortung über- nommen. War dir von Anfang an klar, dass du diesen Weg so gehen möchtest und auch Verantwortung im Verein übernehmen willst?

Nein, überhaupt nicht. Gerade am Anfang war das Schützenfest überhaupt nicht meins. Als ich 19 Jahre alt war, sorgte Karl-Heinz Vogel vom Scheibenschützenzug „Blauer Mondach“, die Stammgäste bei uns waren, dafür dass ich mitmachen durfte. Ich war mit Abstand der Jüngste. Ein Jahr später kam Theo Hoer dazu. Wir waren ein eingefleischter Haufen und hatten immer Spaß. Verantwortung wollte ich nie übernehmen, nicht weil ich mich nicht engagieren wollte, sondern weil ich fest der Überzeugung bin, dass wenn man etwas macht, dass man es gut machen sollte. Mit der Verantwortung gehen auch immer Termine einher. Da mich mein Beruf jedoch gerade zu den Zeiten von Versammlungen o.ä. sehr gebunden hat, wollte ich nicht derjenige sein, der immer absagt.

1998 haben wir dann meinen 50. Geburtstag groß gefeiert. Während der Feierlichkeiten kam der damalige Scheibenschützenmajor Helmut Hauser zu mir und sagte, dass die Offiziere des Scheibenschützencorps beschlossen haben, mich zum Corpsspieß zu machen. Gefragt hat mich jedoch vorher niemand und so wurde ich dann Corpsspieß. Doch diese Aufgabe hat mir immer viel Spaß gemacht, gerade in meiner Art und mit den Spieß-Strafen.

Frage: Du hast deine Art gerade schon angesprochen. Es ist in ganz Wevelinghoven bekannt, dass du dein Amt als Corpsspieß in besonderer Weise ausgefüllt hast. Du grenzt dich massiv ab von deinen Mitstreitern aus den anderen Corps, wie ist es dazu gekommen?

Der Ursprung stammt aus meinem Zug „Blauer Mondach“. Unsere beiden Spieße, zunächst Max Cremer und dann Theo Hoer haben dieses Amt beide sehr humorvoll bekleidet. Da ich selbst auch kein großer Freund davon bin, nur zu sagen, du hast die Schuhe schmutzig, machte ich es dann auch etwas lockerer. Gerade bei der Verkündung der Strafen kann man immer wieder seinen Charme mit einfließen lassen. Zunächst habe ich das noch allein gemacht. Mit der Zeit hat mir meine Tochter Sandra immer mehr dabei geholfen.

Frage: Hast du ein oder zwei Beispiele für Strafen, die dir im Gedächtnis geblieben sind?

Nie vergessen werde ich eine Strafe im Zusammenhang mit der Schützenmesse Sonntags morgens. Hierbei sind vier Scheibenschützen in der Messe eingeschlafen und fingen sogar an laut zu schnarchen. Diese wurden von mir dann zu einem Übungsgottesdienst verdonnert, unter Aufsicht der katholischen Frauengemeinschaft. Was ich nicht Wissen konnte, dass die Frauengemeinschaft den „Spaß“ auch weiter mitmacht. Die vier Straftäter wurden vor der Messe in die Sakristei gerufen und mussten als Messdiener die Messe begleiten.

Frage: Als Spieß bist du eigentlich für Zucht und Ordnung im Corps bekannt. Unter den Anekdoten haben wir bereits von der Geschichte der ersten Frau im Scheibenschützencorps berichtet. Das war deine Tochter Sandra. Wie konnte es unter deiner Aufsicht dazu kommen?

Ich wusste von nichts, ich sah Sandra bei der Parade in Uniform und war platt. Sie reiht sich im Zug „Blauer Mondach“ ein und geht direkt hinter Hilmar Krüll und Rudi Gehlen. Ausgerechnet hinter den beiden konservativen. Nach der Parade kam Hilmar Krüll auf mich zu und sagte „Was ist das denn für ein Scheiß, auch wenn das deine Tochter ist, so geht das nicht. Du bist Spieß und hättest das verhindern müssen.“ Ich sagte ihm, dass ichzumeinennichtsdavonwussteundzumanderen mir am Dienstag bei der Verkündung der Strafen schon etwas einfallen würde und mir selbst schon eine Strafe auferlegen werde. Beim Zelteinmarsch dachte ich je- doch, ich sehe nicht richtig. Wer kommt an der Spitze mit Sandra im Arm? Hilmar Krüll. Theo Holzmann wel- cher das ganze gefilmt hat, sagte noch hätte ich das gan- ze nicht auf Band ich würde es nicht glauben. Als ich Hilmar daraufhin ansprach und sagte dann ist ja doch wieder alles in Ordnung, dann können wir ja gleich ein Bier trinken gehen, entgegnete mit dir trinke ich kein Bier mehr, mit Sandra gehe ich aber jetzt an die Theke.

Frage: Der Vogelschuss - Jahr für Jahr wird der König hier bei euch ermittelt. War es da nie dein Wunsch einmal selbst den Vogel abzuschießen?

Eigene Ambitionen hatte ich eigentlich nie. Es gab jedoch ein Jahr, in dem ich ins Überlegen gekommen bin und dem damaligen Oberst Rudi Gehlen sogar meine Zusage gegeben habe, König zu werden. Es war 1986/87 und es fand sich kein König für den BSV, nachdem Hilmar Krüll und Rudi Gehlen lange auf mich eingeredet haben, sagte ich Ja, bat die beiden aber darüber, stillschweigend zu behalten. Am Ende fand sich mit Heinz Schäpers noch ein König, dies war für mich aber auch eine Lehre. Ich war 38 Jahre alt und lag wochenlang wach im Bett. Ich dachte mir, was habe ich mir da nur angetan. Denn als König hat man viele Verpflichtungen und Termine. Wenn ich diese Termine besucht hätte, hätte meine Familie die doppelte Arbeit. Daher habe ich es auch nie bereut.

Frage: Die nächste Generation Schützenwesen ist schon im Hause der Erftruhe angekommen. Die Begeisterung für Schützenfest hat nicht nur deine Tochter Sandra, sondern auch dein Schwiegersohn Andreas Kowal, auch wenn er aus deiner Sicht als Grenadier sicherlich ein wenig Missraten ist.

Jeder hat so seine Fehler. Andy hatte am Anfang wenig mitzutun, ich habe ihn schon gesagt, dass er da nicht lange drum rumkommen wird. Durch Paul Schnabel kam er dann zum Grenadierzug Fracksausen. Als Leo dann geboren wurde, sagte Helmut Hauser jedoch zu mir: Aber der Kleen wird doch Scheibenschütze, oder? Ich sagte, dass ich es hoffe, aber dass dies nicht meine Entscheidung sei. Helmut bot großzügig an, dass wenn er Scheibenschütze wird, er die ersten zehn Jahre Beitrag übernimmt. Hans Hermann Kottmann übernahm dann die zweiten 10 Jahre. Als Graf Bertram gefragt wurde, antwortete er in seiner eloquenten Art, dass muss ich mir mal überlegen.

Frage: Abschließend zum Thema Könige, die Frage welche Könige sind dir besonders im Kopf geblieben?

Im jeweiligen Königsjahr lernt man die Menschen noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen. Es waren nur wenige dabei, an die man sich kaum erinnert. Als Scheibenschütze habe ich unsere Könige aus Reihen des Corps zuerst im Kopf. Hilmar Krüll, Rudi Gehlen oder auch Helmut Hauser, mit denen mich eine besondere Freundschaft verbunden hat. Aber auch zuletzt Stefan Fücker, der die Würde ja am Ende sogar drei Jahre ausgeführt hat.

Frage: Die Erftruhe hat bestimmt ganz viele Geschichten zu erzählen. Was sind besondere Geschichten, an die du dich gerne zurückerinnerst?

Wer meinen Humor kennt, der weiß das es natürlich der Blödsinn ist, den wir hier gemeinsam gemacht haben. Dabei meint Blödsinn nicht, Dinge kaputt zu machen, sondern Blödsinn mit Niveau.
Wir haben hier unseren kleinen Teich im Garten. Auf einmal vor dem Schützenfest hörte unser Telefon nicht mehr auf zu klingen. Leute aus nah und fern riefen an und wollten einen Angelschein, welcher Sie zum Angeln berechtigte bei uns erwerben. Was ich erst später erfuhr, in der Zeitung war ein großer Artikel „Preisangel an der Erftruhe“ – Welse, Karpfen und Forellen könnten geangelt werden. Dabei haben wir doch nur unseren kleinen Goldfisch Teich. Geärgert habe ich mich darüber nicht, sondern mich eher gefragt, was machen wir denn jetzt? An der Theke kam dann die Idee. Wir machen eine Siegerehrung.

Ich habe beim Erftkurier angerufen und ihnen erzählt, welcher Nonsens abgedruckt wurde. In diesem Zusammenhang fragte ich, was eine Anzeige mit Bild kostet. 180 Mark. Aufgrund des vorherigen Artikels und unserer daraus resultierenden Unannehmlichkeiten haben wir uns dann auf die Hälfte geeinigt. Ein Kegelpokal und ein Plastikfisch mussten dann für das Siegerfoto in der Zeitung herhalten.

Frage: Vermisst du diesen humorvollen Blödsinn in der heutigen Zeit?

Die Zeiten haben sich sehr gewandelt, nicht nur zum Guten. Früher musste man sich noch was einfallen lassen, um etwas zu erleben. Heute bekommt man viel me- dial geboten. Dies merkt man auch auf den Versammlungen, da sitzt man sich oft nur mit Handys gegenüber. Der Wandel der Zeit ist zum Abschluss ein gutes Stich- wort. Mit Hilmar Krüll hast du einen langjährigen Präsidenten des BSV schon angesprochen, du hast nun einige Präsidenten miterlebt. Wie ist deine Meinung zur Vereinsführung im Wandel der Zeit bis hin zu Marcus Odenthal als heutigen Präsidenten.
Wir in Wevelinghoven haben das große Glück, dass wir immer sehr gute Präsidenten gehabt haben. Jeder passt in seine Zeit und war zu seinem jeweiligen Zeitpunkt die richtige Person an der richtigen Stelle. Ich fand Sie wirklich alle Gut. Hilmar Krüll war ein absolut Gradliniger Typ, welcher sich stets für den Erhalt der Traditionen eingesetzt hat. Wenn man von Ihm eine Veränderung wollte, hat man höchstens den kleinen Finger bekommen. Rudi Broens war da schon lockerer. Günter ging dann eher wieder Richtung Hilmar. Marcus Odenthal hat einen denkbar schlechten Start erwischt. Dies liegt aber nicht an der Person, sondern an dem Zeitpunkt, an dem er übernommen hat. Corona, dann Energiekrise. Auch der erste Vogelschuss unter seiner Amtszeit bis Mitternacht war sicherlich nicht das, was man sich er- wünscht hat. Aber er lernt wahnsinnig schnell und nur über Versuche kommt man weiter. Was ich an Marcus unwahrscheinlich schätze, er kann um 18 Uhr noch der Spaßvogel sein. Beginnt die Veranstaltung um 19 Uhr ist er Punkt um da und weiß eine Veranstaltung zu leiten. Daher wünsche ich Ihm auch in der Zukunft gutes Gelingen zum Wohle unseres Vereins.

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